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Wie Training und Bewegung auf unser Gehirn wirken

 „Wenn Training eine Pille wäre, wäre es das wirksamste Medikament, das je entwickelt wurde.“

Ich habe eine schlechte Nachricht für Trainingsmuffel und Stubenhocker: Euer Hirn schrumpft stetig und unaufhaltsam.

Der frühe Mensch, der sich langsam vom Affen abspaltete und noch in den Bäumen lebte hatte ein sehr kleines Gehirn.

Die Größe und die Leistung des Gehirns des Menschen haben sich proportional mit seiner Fähigkeit sich zu bewegen entwickelt. Als unsere Urahnen von den Bäumen stiegen und langsam den aufrechten Gang lernten und immer weitere Strecken zurücklegten wuchsen die Gehirne immer weiter an. Dieses evolutionäre Programm, der Hirnstimulation durch Bewegung, ist auch heute noch in unserer Genetik festgeschrieben.

Bewegung signalisiert dem Gehirn, dass etwas Wichtiges und Neues passiert. Kleine Kinder lernen in den ersten Lebensjahren fast ausschließlich durch Bewegung. Kinder, deren natürlicher Bewegungsdrang, durch zum Beispiel übervorsichtige Eltern, gebremst wird entwickeln sich merkbar langsamer.

 

Ist unsere Gesellschaft auf dem Weg in die Verblödung?

Sorry, die Überschrift ist arg reißerisch, aber ich denke der Trend geht in die Richtung. In Zeiten des Internets, von Amazon und Facebook, tritt das Bedürfnis und die Notwendigkeit uns zu bewegen immer weiter in den Hintergrund. Kinder gehen nicht mehr raus zum Spielen, sondern sitzen am Handy oder der Spielkonsole. Anstatt uns mit echten Freunden zu treffen, wird mit hundert virtuellen Freunden gechattet.

Ein Mangel an echten sozialen Kontakten, eine Ernährung, die sich immer mehr von unserem genetisch korrektem Vorbild von naturbelassenen Lebensmitteln entfernt und vor allem ein Lebensstil, in dem wir uns viel weniger bewegen als unsere Vorfahren, machen uns lethargisch, depressiv und krank. Allarmierend ist, dass sogar Kinder immer häufiger mit Depressionen und Selbstmordgedanken geplagt sind. Die Tendenz ist seit Jahren unaufhörlich am Steigen.

Koalabären sind süß – aber leider auch ganz schön doof

Ja, ich weiß, der Mensch ist natürlich kein Koala. Er ist aber immerhin wie wir ein Säugetier und wir teilen uns einen Großteil unserer Genetik.

Koalabären waren aber nicht immer doof. Skelettfunde beweisen, dass das Gehirn von den Vorfahren der heutigen Koalabären viel größer war. Diese Vorfahren hatten sich noch nicht auf den Verzehr von Eukalyptusblättern spezialisiert, sondern waren viel unterwegs um ihre Nahrung zu sammeln. Erst seitdem der Koalabär seine Ernährung komplett auf Eukalyptusblätter umgestellt hat, ist sein Hirn zunehmend geschrumpft.

Noch krasser ist es bei der Seescheide, einem Manteltierchen, das die Ozeane bevölkert. Im Jugendstadium hat das Tierchen noch ein Gehirn, das es braucht um durch den Ozean zu schwimmen und zu navigieren, bis es einen geeigneten Platz gefunden hat, an dem es sich für den Rest seines Lebens niederlässt.  Einmal an seinem Platz verwurzelt, fängt die Seescheide an ihr eigenes Gehirn zu zersetzen und zu verdauen. Da sie sich nicht mehr bewegen muss, wird ihr Gehirn nicht mehr gebraucht.

Wer sich also dauerhaft auf seiner Couch niederlässt beginnt langsam sein Gehirn zu verdauen!

BDNF – Brain Derived Neurotrophic Factor

BDNF- merke dir diese vier Buchstaben.

Was ist BDNF?

BDNF ist ein Protein, das hauptsächlich im Gehirn vorkommt. Es ist ein natürlich vorkommender Wachstumsfaktor.

Ein hoher BDNF-Spiegel hat verschiedene Vorteile: Es verbessert die Funktion von Hirnneuronen und somit die Signalübertragung zwischen den einzelnen Gehirnzellen, es kurbelt das Wachstum von neuen Hirnzellen an (daher Wachstumsfaktor) und schützt alte Zellen vor dem Zelltod.

Entgegen der landläufigen Annahme, dass sich unser Gehirn nicht mehr regenerieren kann, ist es also ganz im Gegenteil so, dass wir wieder neue Zellen bilden können und die Zusammenarbeit zwischen den Zellen verbessern können. Man spricht hier von Neuroplastizität. Unser Gehirn ist bis ins hohe Alter plastisch und veränderbar. Alzheimer und Demenz müssen uns daher nicht schrecken. So wie wir Kinder, anstatt sie täglich stundenlang vor Schreibtischen und Handys sitzen zu lassen, lieber an die frische Luft schicken sollten, so würden auch alte Menschen ungemein von mehr Bewegung profitieren und länger geistig (und natürlich körperlich) fit bleiben.

Die größten Konzentrationen von BDNF sind im Hippokampus zu finden. Dieses Hirnareal ist vor allem für das Lernen und die Stresskontrolle zuständig. Ein niedriger BDNF-Spiegel steht daher auch im direkten Zusammenhang mit Depression, Angst- und Erschöpfungszuständen. Fortschrittliche Ärzte und Kliniken verwenden den BDNF-Spiegel bereits als einen Hauptmarker zur Diagnostizierung von psychiatrischen Krankheitsbildern.

 

Wie macht man BDNF?

Die Produktion von BDNF wird vor allem durch Training und Bewegung angekurbelt.

Wie bereits dargelegt, entwickelt sich unser Gehirn hauptsächlich durch Bewegung. Eine Studie konnte zeigen, dass bereits 30 Minuten aerobes Training ausreichen um den BDNF-Spiegel um 32% zu erhöhen. Wenn du, wie ich, vielleicht Kinder hast, die Vokabeln oder Formeln pauken müssen, ist es eine hervorragende Idee diese erst mal raus zum Spielen, Springen und Laufen zu schicken bevor sie sich an den Schreibtisch setzen.

Einen noch besseren Effekt erzielst du, wenn du aerobes Training mit Übungen, bei denen du deine Koordination, deine Konzentration und dein Gleichgewicht verwenden musst kombinierst.  Wie wär´s zum Beispiel mit Klettern und Hangeln, Geländelauf, Tanzen oder Turnen, Jonglieren oder einfach nur Krabbeln oder Purzelbäume machen? Je komplexer die Übung, desto mehr Anregung wird dem Gehirn geboten.

Der ultimative Hirnbooster wäre zum Beispiel: 20 Minuten Geländelauf gefolgt von Krabbeln, Balancieren und Hangeln.

Wie immer sind der Fantasie hier keine Grenzen gesetzt. Kein Mensch ist so gut, dass er nicht noch neue herausfordernde Sachen finden würde. Je öfter du neue Bewegungsmuster ausprobierst, umso mehr wird dein Hirn angeregt neue Synapsen zu bilden um diese Muster zu lernen.

 

BDNF und Hormone

Weiter oben hast du bereits gelernt, dass der BDNF-Spiegel zur Diagnose von psychischen Erkrankungen verwendet werden kann.

Wenn wir gestresst sind schüttet unser Körper hauptsächlich die Hormone Cortisol und Adrenalin aus. Diese Hormone sind für unseren Flucht- oder Kampfmodus (fight or flight) verantwortlich. Evolutionär machen sie durchaus Sinn, haben sie unseren Vorfahren doch das Überleben gesichert, bei Kampf oder Flucht vor Mammut und Säbelzahntiger. Nach gelungener Flucht oder erfolgreichem Kampf kehrten die Hormonspiegel schnell wieder auf Basislevel zurück. Unser moderner Lebensstil setzt aber viele von uns einem permanenten Stress aus.

Durch einen dauerhaft erhöhten Cortisolspiegel werden Hirnzellen, vor allem im Hippokampus, schneller vernichtet.

Cortisol ist ein kataboles (abbauendes) Hormon und der Antagonist von Testosteron, unserem Antriebshormon, welches für Kraft, Muskelwachstum und Selbstvertrauen verantwortlich ist.

Wenn wir uns bewegen wird von unserem Belohnungszentrum mehr Dopamin ausgeschüttet. Zudem wird die Bildung neuer Dopaminrezeptoren im Gehirn angeregt. Training wirkt daher im Gehirn wie eine glücklich machende Droge.

Ebenfalls wird die Produktion von Serotonin und Noradrenalin angeregt. Diese Hormone machen glücklich und zufrieden und wirken antidepressiv.

Extratipp: Unsere Cortisolspiegel sind unmittelbar nach dem Aufstehen am höchsten. Training am Morgen senkt den Cortisollevel den ganzen Tag nachhaltig und macht resilient gegen Stress.

 

Fazit:

Bewegung und Training sind einer der fundamentalen Bausteine unseres Lebens. Wer sein geistiges Potential nutzen und erhalten will kommt an vielfältiger und ausreichender Bewegung nicht vorbei.

Wir Menschen sind Wunderwerke der Natur. Wir sind dazu gemacht gesund, kreativ und glücklich zu sein. Der Mensch ist ein Bewegungstier.

Bewegung ist die effektivste Pille auf der Welt, ohne Nebenwirkungen (abgesehen von Glück, Zufriedenheit, Langlebigkeit,…).

 

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